Die Regensburger Domspatzen …
… beim Musikfestival Mecklenburg-Vorpommern1!
Gestern war der Auftritt der Regensburger Domspatzen im Münster zu Bad Doberan. Ich hatte mich schon vor Monaten um eine Karte bemüht, aber nur noch eine für einen Hörplatz ergattert. Das Münster war rappelvoll. Ich saß gefühlt 100 m vom Chor entfernt. Mit einer Körperverrenkung sah ich die Spatzen sogar, nur, wenn ich die beibehalten hätte, wäre der Reha-Erfolg dahin gewesen.

Das A-Capella-Konzert begann mit einem Laudate Pueri von Jozef Swider (1930-2014). Swider war einer der Komponisten dieses Abends, die ich nicht kannte. Das Laudate Pueri habe ich jetzt nicht mehr im Ohr, aber die Erinnerung an das Erleben der Akustik des Münsters ist immer noch präsent. Der Verstand sagte mir, die Musik müsse doch irgendwo von vorne kommen. Aber die Ohren erlebten etwas Anderes. Nach wenigen Sekunden verlor ich ein wenig die Orientierung. Der hohe langgestreckte Kirchenraum, die riesigen Gewölbe ließen den Schall irgendwie von allen Seiten an mich herankommen. Aber das war nicht zum Schaden für die Musik, im Gegenteil. In mir kam die Frage auf, ob die Baumeister des Münsters das so gewollt haben. Egal, es ist gelungen.
Vor der Pause gab es vier Choräle von Max Reger, mir allesamt vertraut aus meiner Hammer Chorzeit mit Rolf Schönstedt, der Reger in den Mittelpunkt seiner musikalischen Arbeit gestellt hat. Die Pause kam für viele überraschend. Erst jetzt sehe das Wort „Pause“ im Programm abgedruckt. Das geht zu Lasten des Layouters. Gelb auf weißem Untergrund, und dann noch klitzeklein, das geht für mich gar nicht. Auch jetzt erst kann ich den Namen des Dirigenten lesen, Roland Büchner, weiß auf gelb.
Die Pause konnten wir vor der Kirche verbringen. Es herrschte eine wunderbare Abendstimmung, getragen vom Backstein-Rot des Münsters, dem Grün der Bäume und der Wiese und dem Licht der Abendsonne.
Dann ging es weiter mit vier Komponisten, die ich allesamt nicht kannte. Ein Werk hat mich besonders beeindruckt, das „Eli, eli“ von György Deak-Bardos (1905-1991). Im Programm war die Übersetzung des Textes abgedruckt, nämlich das Bibelwort „Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“
Von den folgenden Werken nenne ich „Richte mich Gott“ und „Jauchzet dem Herrn“ von Felix Mendelsohn Bartholdy. In mir ging die Sonne auf, obwohl sie draußen unterging. Das „Abendlied“ von Rheinberger korrigierte diese Stimmung wieder der Tageszeit entsprechend.
Zu kritisieren gab es für mich weniges. In der ersten Hälfte des Konzertes summte der Dirigent jeweils den Eingangsakkord an, der Chor übernahm ihn. Das war für die Jungen auf dem Chorpodest wohl hilfreich. Bei den ersten Stücken der zweiten Hälfte riskierte es der Dirigent, darauf zu verzichten. Natürlich ist das besser, es stört die Abfolge nicht. Aber es dauerte bei den Domspatzen dann einen „Tick“, bis der Akkord stand. Es war immer nur der winzige Bruchteil einer Sekunde, für mich aber hörbar. Ein „Tick“ ist ein Wort, das unsere Chorleiterin in der Philipp-Nicolai-Kantorei Unna, Hannelore Höft, gerne benutzt, wenn sie uns Präzision abverlangen will, sei es bei der Intonation oder dem Tempo. Der Dirigent reagierte natürlich und gab die Töne wieder vor.
Das andere, was ich anzumerken habe, ist keine Kritik. Es geht dabei eher um mein Empfinden. In dem ganzen Konzert war keine Frau präsent, natürlich nicht bei den Domspatzen, einem klassischen „Knabenchor“, aber auch nicht bei den Komponisten. Ich habe bei anderen Konzerten dieser Art noch nie darüber nachgedacht. Und ich stellte mir die Frage, ob ich mich nicht in einem gemischten Chor besser aufgehoben fühle. Die Knabensoprane waren sicherlich gut bis sehr gut. Aber so ganz erreichten sie nicht die Klarheit und Reinheit einer hohen Frauenstimme. Den Bässen fehlte meines Erachtens der Klang des „Erwachsenseins“. Ich hoffe, der Leser versteht, was ich damit meine. Es ist schwer auszudrücken.