Parkinson Forum – ein Besuch in Berlin vom 26. bis zum 31. März 2017!

Das Parkinson Forum auf Reisen!

Dies ist die Langversion eines Berichtes, den ich über unsere Reise nach Berlin geschrieben habe. Eine etwas kürze Version wurde abgedruckt, als Erinnerung für alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer an ein paar schöne Tage. Die Druckversion zeigt auch Bilder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie erinnern mich heute an Menschen, die mittlerweile nicht mehr unter uns weilen. Das Dokument erscheint, wenn man diesem Link folgt. – Zur PDF-Datei!

9 Uhr, das war die Uhrzeit, die die Reise der rund 20 Mitglieder des Parkinson Forums nach Berlin bestimmten sollte. Am Sonntag, dem 26. März, begannen wir um 9 Uhr am Unnaer Busbahnhof unsere Reise, am Freitag, dem 31. März, traten wir um 9 Uhr in Berlin die Rückreise an. Dazwischen hieß es immer wieder: „Um 9 Uhr treffen wir uns am Buis.“ Und man staune, es ging immer recht pünktlich los.

Eine Gruppenreise des Parkinson Forums hatte Dr. rer. nat. Hans Wille (einmal will ich seinen akademischen Grad und seinen Namen in diesem Bericht in voller Länge nennen – künftig sei er einfach Hans genannt) schon lange im Kopf. Aber die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Reise kostet viel Arbeit und Energie und so schlug Hans vor, sich eines Dienstleisters zu bedienen, der die Reise organisieren sollte. Dieser Idee haben wir im Vorstand schnell zugestimmt, den Arbeit hat Hans von uns allen ohnehin am meisten zu bewältigen.

Dass man in Berlin ständig einen Bus zur Verfügung haben wollte, um flexibel zu sein, war schnell klar, dass es keine Reise mit den klassischen Busreiseveranstaltern werden sollte, auch. Nicht das wir an der Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen zweifelten, nein, das war es nicht. Ich selbst habe zusammen mit Andrea schon mal die Dienste von Havermann und Graf in Anspruch genommen, es war alles zu unserer Zufriedenheit.

Hans brachte den Reisedienst der Diakonie Ruhr-Hellweg ins Spiel. Das hatte für mich seinen Charme und eine gewisse Symbolwirkung. Die Diakonie Deutschland ist ebenso ein Verband der freien Wohlfahrtspflege wie der „Der Paritätische“, dessen Kreisverband Unna das Parkinson Forum angehört. In Langform heißt er „Der Paritätischen Wohlverband“.

„Parität“ (lat. Paritas) bedeutet Gleichheit. Gleichheit hatte und hat auch immer noch für mich eine besondere Bedeutung. Ich meine damit nicht Gleichmacherei, ich verstehe darunter „auf Augenhöhe“ miteinander umzugehen. Das ist übrigens eine Eigenschaft, die ich bei nahezu allen Referentinnen und Referenten, die Hans zu uns in die Gruppe geholt hat, beobachtete, und erst recht bei Hans. Bei dem großen Verband, dem wir bis vor noch nicht allzu langer Zeit als unselbstständige Gruppe angehörten, habe ich diese Eigenschaft vermisst. Der hatte seine eigene Interpretation des Begriffes „Selbsthilfe“.

Die Zusammenarbeit mit der Diakonie Ruhr Hellweg war gut, einige Details folgen später. Leider gab es in der Planung zunächst einen „Durchhänger“, der Hans sicherlich zu schaffen machte. Auch der Reisedienst der Diakonie Ruhr-Hellweg muss wirtschaftlich arbeiten, und so stand eine Mindestteilnehmerzahl von 30 im Raum. Eine Mindesteilnehmerzahl ist in der Reisebranche nichts Ungewöhnliches. Es gibt sie auch in anderen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens. Ich nenne da ein Beispiel, das jeder kennt, nämlich die Volkshochschule mit ihren Kursen.

Aber es gab nur rund zwanzig Anmeldungen. Das war für Hans kein Grund, die Reise abzusagen. Er verhandelte mit Erfolg. Heute glaube ich, dass es der Diakonie sehr daran gelegen war, diese Reise durchzuführen. Man sah, so vermute ich es, in uns eine Selbsthilfegruppe, mit der man spezielle Erfahrungen sammeln wollte, aber man wollte auch in Berlin, so denke ich, ein neues Hotel ausprobieren. Wir waren „Versuchskaninchen“, aber anders als bei Tierversuchen haben wir es „überlebt“, mehr noch, wir haben davon profitiert.

Bevor ich weiter über die Reise berichte, muss ich noch etwas in eigener Sache sagen. Wenn ich schreiben, komme ich „von Hölzchen auf Stöckchen“. Ich schreibe öfter mal etwas, sei es für meinen Sportverein, die Lauffreunde Bönen, sei es eine Konzertkritik, die ich dann auf Facebook veröffentlich (und die dann keine Kritik im engeren Sinne ist, sondern eine Beschreibung dessen, wie ich ein Konzert empfunden habe und was es mir gebracht hat), oder sei es, wie in neuer Zeit, ein Bericht über das Parkinson Forum Unna und Morbus Parkinson, die Krankheit, die uns verbindet, erschienen in der Seniorenzeitschrift des Kreises Unna.

Meine Probleme beim Schreiben sind folgende: Ich fange einfach an zu schreiben, eigentlich ohne Plan. Die Fakten fallen mir erst nach und nach wieder ein. Ich kann mich nicht kurzfassen. Ich fange viel zu viele Sätze mit „Ich“ an. Und ich schweife manchmal ab. So fällt mir jetzt gerade eine Anekdote ein, deren Wahrheitsgehalt ich nicht belegen kann, die ich aber trotzdem loswerden möchte. Ein Schriftsteller, besser ein Dichter der Klassik, der auch durch seine Briefwechsel berühmt wurde, soll einen Brief an eine gute Freundin einmal mit der Aussage begonnen haben: „Meine Liebe, heute bekommen Sie einen langen Brief von mir, für einen kurzen habe ich zu wenig Zeit.“

Kurzfassen ist für mich „Schwerstarbeit“. So musste ich vor wenigen Tagen ein Förderbegehren eines anderen Vereins, für den ich aktiv bin, den Verein zur Erhaltung der Ev. Stadtkirche zu Unna e.V., begründen. Ich hatte Raum für 500 Zeichen. Es war ein Online-Formular auszufüllen, das unerbittlich jeden weiteren Buchstaben abschnitt. Der Text hat mich Stunden gekostet. Das Förderbegehren ging übrigens an eine Unnaer Genossenschaftsbank, die auch das Parkinson Forum unterstützt.

Aber jetzt weiter im Text.

Zur Erinnerung: Um 9 Uhr sollte es am Sonntag, dem 26. März, am Unnaer Busbahnhof losgehen. 8.45 Uhr war die von Hans gesetzte Deadline für das Erscheinen. Andrea und ich gehörten zu den letzten Ankömmlingen, waren aber immer noch pünktlich. Sofort wurden wir von unseren Reiseleiterinnen Renata Sterzik und Anke Diener von der Diakonie herzlich begrüßt. Es wurden Kofferanhänger verteilt, beschriftet mit unseren Namen und unseren Zimmernummern in dem Berliner Hotel, von dem wir bisher nur den Namen kannten: Seehotel Grunewald. Der eine oder die andere aus unserer Gruppe kannte sicherlich auch die Webseite des Hotels und die ungefähre Lage nach Google Maps. Ich hatte von der Webseite her noch drei Dinge in Erinnerung, Bilder mit vielen grünen Bäumen, große Wasserflächen und drei Sterne. Ach ja, es gab noch ein Viertes: Nach Google Maps war das Zentrum Berlins scheinbar weit entfernt.

Wie ich dann später heraushörte, war auch Renata und Anke das Hotel noch nicht näher bekannt. Ich denke, die Situation war für die beiden daher wesentlich spannender als für uns. Es ging um den Ruf der Diakonie als Reiseveranstalter. Daumen hoch, Daumen runter, für die beiden war das auch eine Frage der beruflichen Ehre. Aus Andras und meiner Sicht jetzt schon einmal ein kurzer Zwischenstand: Daumen hoch.

Der Bus war noch nicht da. Aber bis zu seiner Ankunft verging weniger Zeit als ich für das Schreiben des letzten Absatzes benötigt habe. Er war von der Größe hier auf die ursprüngliche Teilnehmerzahl ausgerichtet, bot uns also viel Platz. Das sah man schon, als er zum Busbahnhof hin einbog.

Ihm entstieg ein wohlgenährter Mann mittleren Alters, der zunächst Kontakt mit Anke und Renata aufnahm – man kannte sich offensichtlich – und dann sofort Hand anlegte und sich um das Gepäck kümmerte. Es war im Nu verstaut, auch meine Trompete, die ich samt Schalldämpfer mitgenommen hatte, weil es der Platz zuließ und ich den Kontakt zum Instrument in der Zeit in Berlin nicht verlieren wollte.

Die Fahrt ist schnell beschrieben. Die Autobahn war frei und irgendwann kam die Sonne heraus, die uns dann mehrere Tage lang einen blauen Himmel bescherte. Es gab zwei Stopps, einen kurz vor Hannover und einen in Marienborn, dem ehemaligen Grenzübergang. Für Marienborn konnte man das obligatorische Busreisen-Drei-Gänge-Menü ordern, Bockwurst mit Brot und Senf. Christian, so hieß der Fahrer mit Vornamen, den Nachnamen habe ich mir nicht gemerkt, hatte alles vorbereitet. Er kam auch gut damit klar, wenn jemand sein kulinarisches Angebot ausschlug und die nahegelegene Raststätte aufsuchte. Ich habe übrigens meinen Toilettengutschein in das erste Eis der Saison investiert, ein Eis-am-Stil. Ich glaube, ich habe mich von Marianne inspirieren lassen. Oder war es Ingrid?

Marianne reiste diesmal ohne Lothar, ihren Mann, der zu den Schwersterkrankten gehört. Er lebt jetzt in einer speziellen Wohngruppe, weil eine Betreuung zu Hause nicht mehr zu gewährleisten war. Lothar ist, wenn man so will, der Gründer der Gruppe. Ohne ihn gäbe es sie vielleicht auch, aber man weiß nicht, in welcher Form. Er hat auf jeden Fall die Qualitätsmaßstäbe gesetzt, die Hans so erfolgreich übernommen hat.

War Marianne traurig, war Marianne erleichtert? Eine Antwort kann ich nicht geben. Ich selbst weiß aus eigener Erfahrung nur, das von jedem etwas da ist und auch da sein darf. Auf jeden Fall hat sie sich tapfer geschlagen, sie hat wie immer dazu beigetragen, die Gruppe zusammen zu halten. Ich vermute, das war schon ihr Job, als Lothar noch aktiv war.

Irgendwann – eher als erwartet – fuhren wir über die Bundesstraße 2 nach Berlin hinein. Nahe der S-Bahn-Station Pichelsberg bogen wir rechts von der Bundesstraße 2 ab, die dort Heerstraße heißt und Teil einer großen Straßenachse ist, die Berlin durchquert.

Nach wenigen Minuten erreichten wir das Hotel. Es lag abseits der Straße an einem Seitenarm der Havel, mitten im Wald. Nach der Postanschrift gehörte es noch zu dem Berliner Bezirk Spandau. Aber der für den Bezirk namensgebende Ortsteil Spandau lag offensichtlich noch mehrere Kilometer entfernt.

Das Gelände um das Hotel herum war alles andere als eben. Das hatte ich so nicht erwartet. Und anders als auf der Webseite trugen die Bäumen noch keine Blätter. Das war zu erwarten. Die Havel, die hier einem See gleicht, kam ins Blickfeld. Christian lotste den Bus über einen schmalen abschüssigen Weg, vorbei an vielen parkenden Autos, direkt bis vor das Hotel. Irgendwie war hier – der Kalauer sei mir erlaubt – der Berliner Bär los. Das sonnige Wetter hatte viele Berliner aus der Stadt herausgelockt. Für Berlin ist der Grunewald ein Naherholungsgebiet ersten Ranges. Das sah man nicht nur an der Anzahl der geparkten Autos. Ich persönlich bemerkte es an der Vielzahl der Spaziergänger, als ich mich nach dem Einchecken und dem Auspacken zu einer Joggingrunde auf den Weg entlang der Havel machte.

Auf dem Rückweg, der mich an einer Durchgangsstraße entlangführte, kam ich an einem kirchturmähnlichen hohen Gebäude vorbei. Ein Schild fiel mir ins Auge: Grunewaldturm. Ich schoss auf die Schnelle ein Foto mit dem Handy. Erst jetzt lese ich im Internet, dass dies ein Aussichtsturm im Berliner Ortsteil Grunewald ist. Am westlichen Waldrand des Grunewaldes gelegen, bietet sich von der Aussichtsplattform in 36 Meter Höhe ein Blick über die Havel.

Der Ortsteil Grunewald gehört wiederum zum Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Unser Hotel lag daher offenkundig nahe der Grenze beider Bezirke. Jetzt weiß ich auch den Namen der belebten Straße, an der ich auf einem sehr schlecht erhaltenen Radweg entlanglief. Sie heißt Havelchaussee. Mit dem Fahrrad tut man sich dort wegen des Geländeprofils sehr schwer. Ich konnte langsam joggend an einer langen Steigung ein junges Radfahrerpaar überholen. Man verfolgte etwas betreten meinen Überholvorgang. Als ich mir dann an einer Bushaltestelle einen Lageplan anschaute, um mich zu orientieren, fiel mir auch der Fahrplanaushang ins Auge. Am Wochenende fuhren hier tatsächlich deutlich mehr Busse als unter der Woche. In Unna ist es anders herum.

Vor dem Hotel hing eine große Fahne mit der Aufschrift GEW und einem aus diesem Kürzel abgeleiteten Slogan. Den Slogan, der sicherlich aus der Feder eines Kreativen aus der Werbebranche stammt, habe ich mir nicht gemerkt. GEW steht für mich für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Später fand ich heraus, dass das Haus früher als Hotel Schildhorn – so lautet wohl die Bezeichnung der umliegenden Gemarkung – zu einem Gemeinnützigen Erholungswerk gehörte. Zu dieser Herkunft stand man nach wie vor.

Das Haus hatte drei Sterne. Was bedeutet das? Ist es ein Qualitätsmerkmal? Wenn ja, was bemisst man wie? Für Andrea und für mich waren es drei Sterne plus X. Drei Sterne stehen für ein sauberes, ordentliches und grundsolides Hotel mit guter Küche, freundlichem Service, vernünftigen Betten und … Plus X steht für die ruhige Lage, weit ab vom Verkehrslärm nahe am Wasser mitten im Grünen.

Wir waren aber nur scheinbar „weit vom Schuss“. Christian brachte uns mit dem Bus in kurzer Zeit schnell in das Zentrum Berlins, der schon erwähnten Ost-West-Achse (oder West-Ost-Achse?) sei Dank. Ich kann daher jedem, der ein paar schöne Tage in Berlin verbringen und nicht mitten in der Stadt wohnen will, das Hotel anempfehlen. Dem Autofahrer würde ich, wenn er sich dem Großstadtverkehr entziehen will, raten, sein Gefährt an der S-Bahn-Station Pichelsberg abzustellen und von dort aus öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Für jeden von uns gab es übrigens vom Hotel für die Dauer des Aufenthaltes eine Karte für das gesamte Berliner Nahverkehrsnetz. Schwieriger wird es unter der Woche ohne Auto. Aber wenn es hart auch hart kommt und kein Bus mehr fährt, kann man von Pichelsberg aus ein Taxi nehmen. Andrea und ich haben es einmal gemacht. Es kostete 10 Euro.

Eigentlich wollte ich in diesem Bericht zu jedem Tag schön nach Datum gegliedert etwas schreiben. So war es auch mit Hans besprochen. Das mache ich jetzt anders. Zu dem touristischen Teil gibt es nur ein paar Anmerkungen. Intensiver werde ich mich dem Besuch im Deutschen Bundestag und in der Parkinsonklinik in Beelitz-Heilstätten befassen.

Den Montag eröffnete Ingrid um 7 Uhr mit einem kleinen Angebot an gymnastischen Übungen „nach BIG“. Was BIG ist, erkläre ich später. Auch für die anderen Tage war das so vorgesehen. Andrea und ich haben ihr Angebot „verschmäht“ und das Frühstück vorgezogen. Wir hatten unsere Joggingausrüstung dabei und haben sie auch genutzt.

Pünktlich um 9 Uhr fuhren wir zum ersten Mal Richtung Berlin-Zentrum. Christian bot uns scheinbar aus dem Stegreif eine kleine Stadtrundfahrt. Er hatte gute Orts- und Sachkenntnisse und seine Fahrkünste waren dem Großstadtverkehr angemessen. Am späten Montagvormittag starteten wir in Sichtweite des Berliner Hauptbahnhofes zu einer Schifffahrt über die Spree. Es ging durch das Regierungsviertel mit dem Spreebogen bis nach Berlin-Mitte und zurück

Ich verrate sicherlich kein Geheimnis, wenn ich feststelle, dass der Hauptbahnhof anders als der neue Flughafen in vollem Betrieb ist.

Wir waren die ersten Gäste des Tages auf dem Schiff, es war (noch) angenehm leer. Diesen Teil der Reise hatten Renata und Anke organisiert, ebenso den offiziellen Zugang zum Bundestag mit der Besichtigung des Plenarsaales und der mittlerweile legendären Glaskuppel (am Montag nach der Schifffahrt), die große Stadtrundfahrt mit einem sehr fachkundigen Reiseleiter (am Dienstag), den Besuch im Bodemuseum (am Mittwoch) und die Besichtigung von Schloss Sanssouci in Potsdam (am Donnerstag). Den Kontakt zu dem Bundestagsaggeordneten Oliver Kaczmarek hatte Hans geknüpft, ebenso wie den zur Parkinsonklinik in Beelitz-Heilstätten.

In der Nacht von Sonntag auf Montag, unsere erste Nacht in Berlin, hatte man übrigens das Bodemuseum bestohlen. Es fehlt jetzt eine ca. 100 kg schwere Goldmünze mit einem sehr hohen Materialwert.

Von der Stadtrundfahrt am Dienstag habe ich nur eines wirklich in Erinnerung behalten. Wenn die deutsche Fahne auf dem Schloss Bellevue gehisst ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der Bundespräsident zu Hause ist. Ein nicht kleiner Teil unserer Gruppe beendete die Rundfahrt vorzeitig, um das dienstägliche Lunchkonzert der Berliner Philharmoniker im Foyer der Philharmonie zu besuchen. Andrea und ich blieben im Blus, wir wollten noch rüber in den Westen.

Nichts war an dem Programm verpflichtend, es gab genügend Freiraum für jeden, der ihn nutzen wollte. Aber ich glaube, im Bundestag waren alle dabei, und in Beelitz gab es nur einen krankheitsbedingten Ausfall.

Bevor ich mich jetzt noch dem Besuch im Bundestag und der Parkinson-Klinik in Beelitz-Heilstätten etwas intensiver widme, hier noch der Wetterbericht in Kurzform: Sonntag bis Dienstag super, viel Sonne und blauer Himmel, Mittwoch und Donnerstag so la mit gelegentlichem leichtem Regen, Freitag wieder super.

Der Besuch im Bundestag am Montagmittag verlief für mich anders als erwartet. Zunächst ging es durch eine intensive Sicherheitskontrolle hindurch. Dann folgte ein Vortrag zur Arbeit des Deutschen Bundestages. Wir saßen auf einer Zuschauertribüne über den leeren Abgeordnetensitzen mit dem Blick auf den riesigen Bundesadler an der Front des Plenarsaales. Die Referentin war eine junge Dame, die nach eigener Auskunft aus Köln stammente. Ich hatte mich auf einen Standardvortrag eingestellt und lag damit meilenweit daneben. Es wurde eine unterhaltsame Stunde mit interessanten Fakten, mit Charme und Witz vorgetragen, aber immer von Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit geprägt.

Dem Vortrag folgte eine Besichtigung der Reichstagskuppel. Das war nicht minder beeindruckend, sowohl im Hinblick auf die imposante Architektur als auch auf die schöne Aussicht weit über Berlin.

Im Paul-Löbe-Haus, ein Neubau nördlich des Reichstags mit vielen Abgeordnetenbüros (Standardgröße: 18,2 qm) und diversen Sitzungsräumen, trafen wir dann Oliver Kaczmarek, den direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der SPD in unserem Unnaer Wahlkreis. Hans hatte uns vorher eingeschworen: „Wir wollen die Gelegenheit nutzen, ihn für unsere Belange zu sensibilisieren.“

Ein wichtiges und aktuelles Thema ist für uns die schlechte Versorgung des Ruhrgebietes mit Neurologen und anderen Fachärzten. Oliver Kaczmarek begrüßte den von Hans initiierten Briefwechsel mit Gesundheitsminister Gröhe, durch den dieser auf diese Missstände aufmerksam gemacht wurde. Kurz verdeutlicht: Im Ruhrgebiet kommen auf einen Neurologen 31.000 Einwohner, in Berlin und anderen Bereichen Deutschlands sind es 13.000 Einwohner. „Und das ist in der Ärztebedarfsplanung seit 1991 festgeschrieben. Man hat damals den Istzustand zum Sollzustand erklärt,“ machte Hans dem Bundestagsabgeordneten deutlich.

„Ich kann das nachvollziehen und werde es mit in die Fraktionsberatungen nehmen“, sagte Kaczmarek zu. Ihm schien das Thema durchaus vertraut zu sein, obwohl er im Deutschen Bundestag andere Felder als die Gesundheitspolitik bearbeitet. Er ist für die SPD-Bundestagsfraktion stellvertretender bildungspolitischer Sprecher und ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Zusätzlich ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Petitionsausschuss sowie Mitglied im SPD-Fraktionsvorstand und im Vorstand der Landesgruppe der SPD-Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen.

Neu waren für Kaczmarek die besonderen Auswirkungen der von Hans angesprochenen „Aut idem“-Praxis bei der Verordnung von Medikamenten für Parkinson-Erkrankte. Auf der Basis von Rabattverträgen zwischen den Krankenkassen und der Pharma-Industrie ist der Apotheker verpflichtet, ein anderes als das namentlich verordnete Arzneimittel abzugeben, wenn es preisgünstiger ist. Es ist zwar wirkstoffgleich, das garantiert aber nicht für den Patienten die gleiche Wirkung wie sein gewohntes Präparat. Aufgrund unterschiedlicher Beimischungen kann die Bioverfügbarkeit vermindert oder auch verstärkt sein. Hans zu Oliver Kaczmarek: „Bei Morbus Parkinson gilt es, in der Medikation die kleinsten Stellschrauben zu drehen. Solche Schwankungen, gleich in welche Richtung, sind Gift.“ Im dem standardisierten Rezeptvordruck sind die Worte „Aut idem“ (oder ein gleiches) bereits aufgedruckt. Nur wenn der Arzt den Vermerk durchstreicht, tritt er außer Kraft. Das ist wichtig zu wissen.

Beim Thema „Internetapotheken“ gab es zwischen Hans und Oliver Kaczmarek unterschiedliche Sichtweisen. Das Parkinson Forum empfiehlt seinen Mitgliedern, immer die gleiche Apotheke aufzusuchen, weil dann Wechselwirkungen zwischen Parkinson-Medikamenten und anderen Medikamenten schneller aufgedeckt werden können. Hans meinte: „Wir haben natürlich nichts gegen Wettbewerb, aber das kann die Versandapotheke nicht so gut und zeitnah leisten.“ Oliver Kaczmarek sieht im Versandhandel eine besondere Bedeutung für den ländlichen Bereich Deutschlands. „Hier in Berlin findet man schneller eine Apotheke als einen Bäcker. Auf dem flachen Lande ist das anders,“ meinte er. „Das kann ich nachvollziehen,“ so die Reaktion von Hans.

Ich denke, wir konnten unsere Botschaft loswerden. Jetzt steht sicherlich irgendwann noch ein Gespräch mit Hubert Hüppe, CDU-MdB aus Lünen, an. Der war an dem Tag leider verhindert. Ich habe übrigens Kaczmarek und Hüppe einmal bei einem Behindertensportfest in Kamen zusammen angetroffen. Mein ganz persönlicher Eindruck war, man ist sich nicht fremd, und wenn es um die Region und ihre Menschen geht, versucht man an einem Strang zu ziehen. Natürlich spreche ich bewusst von „versucht“, weil ich weiß, dass der politische Alltag ein solches Verhalten nicht immer toleriert.

Nach dem Gespräch mit Kaczmarek gab es ein gemeinsames Mittagessen.

Beim Besuch des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson am Donnerstagnachmittag ging es dann direkt um die Krankheit, die uns als Gruppe zusammengeführt hat. Die Klinik ist weltweit bekannt, weil sie die nichtmedikamentöse Behandlung von Parkinson und anderen Bewegungsstörungen in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. „Aktivierende Therapie“ ist das Stichwort, das Behandlungsmethoden wie Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie beschreibt. Bewegung, Sport und Musik sind weitere wesentliche Bausteine dieser Therapieform. Die Therapien LSVT und BIG wurden aus den USA nach Deutschland gebracht und hier von der Beelitzer Klinik mit großem Erfolg eingeführt. LSVT steht für Lee Silverman Voice Treatment. Es handelt sich um ein intensives Stimmtraining. Viele Parkinson-Erkrankte haben Probleme beim Sprechen. Hinter BIG verbirgt sich ein großamplitudiges Körpertraining, dass die Beweglichkeit fördert.

Zunächst wurden wir von Prof. Dr. med. Georg Ebersbach, dem Chefarzt der Klinik, empfangen. Mit einem kurzen Vortrag informierte er uns über die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung und die Behandlung von Parkinson. Zur aktivierenden Therapie stellte er fest: „Es geht darum, den Betroffenen zu helfen, Kräfte zu mobilisieren und Kompetenzen zurückzugewinnen.“

Anschließend stand er für die Beantwortung vieler unserer Fragen zur Verfügung. Sein Lob an die Gruppe und insbesondere an Hans: „Ich habe mir Ihr Jahresprogramm angeschaut und bin erstaunt, wieviel Fachleute Sie zu Vorträgen nach Unna holen.“

Der Begegnung mit Prof. Ebersbach folgte ein Rundgang durch die Klinik. Zusammen mit dem Therapiekoordinator der Klinik, dem Physiotherapeuten Olaf Kaufhold, schauten wir uns insbesondere die Bereiche an, in denen die aktivierende Therapie stattfindet. Kaufhold machte unmissverständlich deutlich, dass die medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlung einander bedingen bzw. ergänzen. Das eine wirke nur im Zusammenspiel mit dem anderen, jeweils nur auf einen Baustein zu setzen, sei nicht anzuraten. Nicht unbedingt erstaunt waren wir, als Kaufhold dann berichtete, dass der Anteil der Kosten für die aktivierende Therapie an den Gesamtaufwendungen der Krankenkassen für die Behandlung von Parkinson aktuell bei nur 3 % liegt. Er hat dabei nicht gesagt, dass dies ein Missverhältnis ist, aber er war nicht anders zu verstehen.

Interessant ist auch ein Blick in die Geschichte von Beelitz-Heilstätten. Die zwischen 1898 und 1930 von der Landesversicherungsanstalt Berlin errichteten Arbeiter-Lungenheilstätten bilden einen der größten Krankenhauskomplexe im Berliner Umland. Es ist ein denkmalgeschütztes Ensemble von 60 Gebäuden auf einer Gesamtfläche von ca. 200 ha. Nicht alles scheint nach einem Übergang in private Hände schon wieder optimal zu laufen, aber die Parkinsonklinik ist baulich gut in Schuss und auch medizinisch auf der Höhe der Zeit, wenn nicht sogar der Zeit voraus.

In Beelitz-Heilstätten habe ich übrigens unseren Busfahrer Christian ein einziges Mal schwitzen sehen. Sein Navi wollte einfach eine große Straßenbaustelle nicht zur Kenntnis nehmen. Wenden mit einem Bus auf engstem Raum ist nicht so einfach, aber er hat es geschafft. Christian, Renata und Anke haben im Übrigen die medizinischen Vorträge in Beelitz mit Interesse verfolgt.

Die Rückfahrt am folgenden Tag war dann für Christian wieder ein Kinderspiel. Er brachte uns wohlbehalten nach Unna zurück. Ich bin ihm noch zu besonderen Dank verpflichtet. Wenn man von Morbus Parkinson betroffen ist, vergisst man schon mal etwas. Diesmal war es eine Lesebrille, die im Bus liegen blieb. Es war eine besondere Lesebrille, eine besondere Anfertigung, die speziell auf die Entfernung zwischen meinen Augen und einem Notenständer zugeschnitten ist. Und nicht nur das, ich brauche sie auch am PC. Vier Tage später, ein Wochenende lag dazwischen, hatte ich sie dank Christian, Anke und Renata (in dieser Reihenfolge) wieder auf der Nase.

Als ich diesen Bericht anfing zu schreiben, war es Samstag, der 29. April. Berlin liegt schon mehrere Wochen zurück. Ich hatte gegenüber Hans und der Gruppe ein Versprechen einzulösen. Endlich ist es geschafft. Jetzt ist es weit nach Mitternacht. Gott sei Dank ist mir der Stoff ausgegangen.

Unna, am 29. und 30. April 2017

Jürgen Korvin

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