Hypnotisch, betörend, fließend!
Es war einer meiner ersten Auftritte mit der Philipp-Nicolai-Kantorei Unna. Aber es war für mich sofort besonderes Konzert. Damals habe ich jedoch noch nicht über Konzerte geschrieben. Nachzuholen ist das nicht mehr. Deshalb berichte ich aus Wikipedia über Arvo Pärt und die Hilliards und zitiere dann einen Bericht des Hellweger Anzeigers in seinem Kulturteil. Damals gab es so etwas noch.
Arvo Pärt
Arvo Pärt ist ein estnischer Komponist, der für seine minimalistische und spirituelle Musik bekannt ist. Er wurde am 11. September 1935 in Paide, Estland, geboren.
Er entwickelte seinen eigenen einzigartigen Stil, der als „Tintinnabuli“ bekannt ist. Diese musikalische Technik zeichnet sich durch einfache Melodien, harmonische Reduktion und eine meditative Atmosphäre aus. Seine Werke sind oft von religiösen Themen inspiriert und reflektieren seine spirituelle Suche und tiefe Glaubensüberzeugungen.
Arvo Pärt strebt in seiner fast ausschließlich religiös motivierten Musik nach einem Ideal der Einfachheit, das die spirituelle Botschaft unterstützt. Pärt erklärt seine Musik so:
„Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt.“
„Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt.“
2007 wurde ihm der Internationale Brückepeis verliehen.
Aus der Begründung der Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Brückepreises:
„Arvo Pärt hat mit musikalischen Mitteln dazu beigetragen, die spirituell prägenden Kräfte Europas aufeinander zuzuführen. In seinem Schaffen treffen sich Traditionen aus dem östlich-orthodoxen, dem römisch-katholischen und dem protestantischen Europa und bereichern sich wechselseitig. Es gelang ihm, eine Brücke zwischen Ästhetik, Ethik und Spiritualität zu schlagen und Elemente der Musiksprache des Ostens in die Konzertsäle des Westens einzubringen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Sein Schaffen genießt so große Akzeptanz wie bei keinem anderen Komponisten der zeitgenössischen Musik. Sein Werk macht das menschliche Grundbedürfnis nach einer Verbindung von Ästhetik, Ethik und Spiritualität, die in unserer überwiegend säkularisierten Gesellschaft so oft der Politik und der Ökonomie untergeordnet werden, deutlich und erlebbar. Pärt schärft so den Sinn für die menschliche Gemeinsamkeit und Grunderfahrungen und leistet damit einen Völker verbindenden, Frieden stiftenden Beitrag für alle Menschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen und Kulturen.“
Seite „Arvo Pärt“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Februar 2024, 08:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Arvo_P%C3%A4rt&oldid=242542453 (Abgerufen: 2. März 2024, 12:11 UTC)
Das Hilliard Ensemble
Übe die Hilliards muss ich leider in der Vergangenheisform gerichten.
Das Hilliard Ensemble war ein britisches Vokalensemble. Es wurde 1974 gegründet und hat sich nach dem englischen Miniaturenmaler Nicholas Hilliard benannt. Im Dezember 2014 löste sich das Ensemble auf. Das Quartett bestand zuletzt aus David James (Countertenor), Rogers Covey-Crump (Tenor), Steven Harrold (Tenor) und Gordon Jones (Bariton).
Der Mitgründer und Bariton Paul Hillier schied 1989 aus. Der langjährige Tenor John Potter (seit 1984 Mitglied der Gruppe) schied im Jahr 2001 aus, um sich seiner Lehrtätigkeit an der Universität York widmen zu können. Weitere ehemalige Mitglieder der Gruppe sind Leigh Nixon und Paul Elliott.
Das Ensemble konzentrierte sich auf Musik, die vor 1600 geschrieben wurde, interpretierte aber auch Stücke zeitgenössischer Komponisten wie zum Beispiel Arvo Pärt.
Seite „The Hilliard Ensemble“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. März 2023, 16:13 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=The_Hilliard_Ensemble&oldid=231451085 (Abgerufen: 2. März 2024, 11:44 UTC)
Die Hilliards haben mich so begeistert, dass ich ihnen hin und wieder nachgereist bin, nach Essen, nach Münster, nach Halberstadt, zum allerletzten Konzert nach Köln. Über das Konzert in Halberstadt geerichte ich an anderer Stelle.
Ein Gefühl von Ewigkeit
HELLWEGER ANZEIGER – Montag, 10. September 2001
Von Anja Hirsch
UNNA. Man muss es erlebt haben. In dieser Kirche sitzen, einem sakralen Raum. Eingehüllt. Dann wird es still, und eine Musik hebt an, die von weit her zu kommen scheint. Schwerelos. Unendlich warm. Rein. Die Musik Arvo Pärts. Sie lässt sich schwer nacherzählen. Aber das Konzert in der Stadtkirche Unna war ja erst der Auftakt zu einer Reihe von 55 Konzerten, die in Nordrhein-Westfalen die Musik des estnischen Komponisten bekannt machen wollen. Und hätte man alle besucht, ahnte man vielleicht etwas von der Wahrheit dieser Musik, aber längst nicht, wie sie entstehen konnte. Wenigstens, dass sie das sorgsame Extrakt einer Suche „nach dem Einen“ ist. Denn das Viele, sagt Arvo Pärt, verwirre ihn. Acht Jahre lang, obwohl schon längst bekannt als zeitgenössischer Komponist, trat er, abgesehen von einigen Rundfunkauftritten, in den Hintergrund, um seinen Weg nach innen zu gehen. Als er 1976, 41jährig, mit dem kleinen Klavierstück „Für Alina“ wiederkehrte, war alles anders. Reduziert, einfach, betörend.
Dass in dieser kompositorischen Einfachheit Stärke liegt, jeder Ton eine unglaubliche Tiefe birgt, die zu erfassen nur mit einer gleichsam meditativen Haltung möglich scheint, vermittelte bereits das erste Konzert mit dem berühmten Hilliard Ensemble und der Philipp-Nicolai-Kantorei Unna unter Leitung von Hannelore Höft, die den in Berlin lebenden Komponisten selbst während der Proben erlebten.
Der Komponist warf seine Blumen den Interpreten zu.
Kürzere Werke standen im ersten Teil auf dem Programm, solche wie die wunderbar weichen „Zwei Slawischen Psalmen“ (1984), glockenklar gesungen von den beeindruckenden Hilliard-Solisten, oder „De Profundis“, ein Werk aus dem Jahre 1980, das aus gleichen Notenwerten besteht, allein dadurch Statik ausstrahlt und den Prozess einer stimmlichen Verdichtung nicht dramatisiert, vielmehr natürlich heranwachsen lässt. Auch das Orgelwerk „Annum per annum“ ist in seiner Wirkung fast hypnotisch, und all diesen Werken, dem gebetsmühlenartig hinfließenden „Summa“ wie dem melancholischen „An den Wassern zu Babel“ ist der Hinweis auf Unendlichkeit zu eigen, ein unbestimmtes Gefühl für die Ewigkeit von Musik, die sich erst in den Pausen richtig ereignet und im Innern aufgefangen werden kann. Mit dem bekannten „Magnificat“ sang sich die Philipp-Nicolai-Kantorei in diese Welt hinein, mit allem Enthusiasmus, der, kaum entfacht, wieder zurückgenommen zu werden verlangte, um eine alle Stücke umfassende Demut zu vergegenwärtigen. Dem Chor gelang diese Balance, dynamisch deutlich, stimmlich rein, mit sehr warmem Klang, auch im „Cantate Domino“, noch mehr aber beim Hauptwerk des Abends, dem „miserere“ (1989), das allein genügt hätte für ein erstes Treffen mit der Musik Arvo Pärts. Wenn die Stimme beginnt, abbricht, immer wieder neu ansetzt, die Klarinette dazu Töne tupft, versetzt, lässt sich nicht absehen, dass bald ein Dies irae hereinbrechen wird, tatsächlich vielstimmig die Tonleiter abfallend, erhaben, mächtig, unverrückbar, als solches interpretiert. Was danach kommt, nimmt alles wieder zurück, versetzt aller Auffälligkeit einen Stoß, erklingt nur noch für sich und das gesungene Wort. Es ist das beeindruckendste Werk des Abends und entgrenzt Zeit wie Raum.
Man muss nicht wissen, wie diese Musik gemacht ist, dass vieles auf einfachen Dreiklangsstrukturen basiert, durch ruhende Haltetöne zusammengebunden, aus kargem Material geschaffen ist, alter Musik seine Referenz erweist, aber in eigenwilliger Diktion ein neues Universum erschließt, und das ganz unaufdringlich. Arvo Pärts Musik erlaubt auch einen anderen Zugang jenseits des analytischen Verstehens, und das ist es wohl, was Zuhörer aller Couleur in die Konzerte zieht. Schön, dass Arvo Pärt beim ersten Konzert zugegen war. Schön, dass er voller Enthusiasmus einen Blumenstrauß in die Menge seiner Interpreten warf. Es schien ihm, dem „Glockenspieler“ seines von ihm so genannten „Tintinnabuli-Stils“ (lateinisch: Glöckchen, Klingel), gefallen zu haben. Dem begeisterten Publikum sowieso.