Samstag, der 20. April 2024 | The FemJams in Spring – Oder: Ein Tag in Köln

Vorab: Da ich den nachfolgenden Bericht auf meiner Webseite nicht allein der Sparte Reiseberichte oder Musik zuordnen kann, verlinke ich ihn in beiden Bereichen.

Schon seit einiger Zeit ist Andrea mit ihrem E-Bass in der Frauenband „The FemJams“ aktiv. Den Kontakt hatte sie über ihre Freundin Isabel gefunden.

Das Repertoire der Band lässt sich wie folgt beschreiben: Eigene Interpretationen bekannter und unbekannter Songs aus Pop, Rock und Country. Die ambitionierten Amateurinnen wollen dabei nicht die „große Bühne“ bespielen. Hausmusik im geselligen, privaten Kreis, so möchte ich ihr Auftrittsformat beschreiben, ähnlich der musikalischen Praxis vergangener Jahrhunderte, auch wenn das gesellschaftliche Umfeld damals ein vollständig anderes war.

Dabei sind Isabel (Bonn) an der E-Gitarre, Katalin (Hennef) am Saxophon, an der Klarinette und am Akkordeon, Andrea (Unna) am E-Bass und Karolin (Köln) an der Gitarre und mit ihrer Stimme.

Für den 20. April – in Spring – hatte man ein Konzert in Köln geplant. Diesmal war es nicht – wie sonst – ein „Konzert im Wohnzimmer“. Aber zu den Details später.

Ich habe das Quartett bisher noch nie gehört. Daher wollte ich mich jetzt auf den Weg nach Köln machen und dabei das eine mit dem anderen verbinden.

Das eine ist das Konzert. Das andere ist Barbara. Ich habe sie im letzten Jahr in der Reha in Hilchenbach kennengelernt. Sie ist ebenso an Morbus Parkinson erkrankt wie ich. Und sie spielt ebenso begeistert Tischtennis wie ich. Was mir an ihr gefällt, lässt sich so beschreiben: Trotz der negativen Perspektive einer chronischen Erkrankung und aller Belastungen lebt sie unaufgeregt ihr Leben. Sie gibt nicht auf, sondern sucht und findet Wege, der Krankheit zu trotzen.

Aber jetzt fange ich mal mit der Beschreibung des Tages an. Der Zug nach Köln, der in Unna um 11:12 Uhr abfahren sollte, war proppenvoll. Die Aussicht, einen Sitzplatz zu finden, tendierte gegen Null. Viele Menschen standen in den Gängen, und die, die saßen, genossen offensichtlich ihr Privileg. Das ich nicht gut zu Fuß war, hätte man sehen können. Ich hatte meinen Gehstock dabei, der mir half, die Beine ein klein wenig zu entlasten. Mein Gedanke war: Schaffst du es so bis nach Köln? Nun, ich musste es schaffen, irgendwie! Zwischendurch wurden vereinzelt Plätze frei, aber die zu erreichen, war schier unmöglich.

Ein Fan des Fußballbundesligisten 1. FC Köln ist mir in besonderer Erinnerung. Er war unterwegs zum Heimspiel der Kölner gegen den SV Darmstadt 98 und machte einen körperlich fitten Eindruck. Wahrscheinlich genoss er den Sitzplatz, weil er im Stadion wohl stehen musste. Er ignorierte mich konsequent, was nicht heißt, dass er mich nicht beobachtete. Andere verhielten sich ähnlich. Mein Unmut über den Kölnk-Fan verrauchte Stunden später, als ich erfuhr, dass die Kölner ihr Heimspiel gegen den Tabellenletzten mit 0 zu 2 Toren verloren haben.

Kurz vor Solingen, ich war zwischenzeitlich ein paar Meter im Waggon vorgerückt, bot mir endlich eine junge Frau dankenswerterweise ihren Sitzplatz an. Der Tag konnte weitergehen.

In Köln angekommen, traf mich die Wucht der Menschenfülle der Großstadt. Der Bahnhof war voller Menschen und die Domplatte sowieso. Ich hatte geplant, in Ruhe durch die Hohestraße Richtung Heumarkt zu bummeln. In Ruhe bummeln? Auch das ging so nicht, der Menschenmassen wegen.

Natürlich erinnerte ich mich an den Köln-Marathon, bei dem ich vor fast 27 Jahren, am 5. Oktober 1997, am Start war und bei dem ich nach 3:35:34 Std. ins Ziel nahe des Kölner Doms lief. Auch damals waren Menschenmassen auf den Beinen, auf der Strecke und am Streckenrand. Die Strecke war so voll, dass ich gefühlt wegen vieler Überholmanöver 44 km gelaufen bin, und nicht nur 42,195 km.

Mit Barbara traf ich mich wie verabredet pünktlich 14 Uhr am Reiterdenkmal am Heumarkt. Sie wohnt westlich der Altstadt und ist in Köln im Wesentlichen mit dem Fahrrad unterwegs. Da sie sogar Tischtennisschläger dabeihatte, hätten wir an einer der öffentlich zugänglichen Beton–Tischtennisplatten in der Nähe spielen können. Aber wegen des Wetters zogen wir es vor, bei einem Inder am Heumarkt einzukehren.

Das indische Restaurant zeichnete sich dadurch aus, dass es von vielen Indern besucht wurde. Das Essen war gut bis sehr gut, aber es war leider eng und laut.

Bis zum Rhein waren es nur ein paar Meter. Nach dem Essen wollten wir in der Altstadt noch einen Kaffee trinken. Wir mussten nicht lange suchen, zögerten aber einen Moment vor einem Café-Restaurant, weil alle Außenplätze trotz Überdachung und Wärmequellen unbesetzt waren. Zwei junge Frauen aus dem Gastro-Team sahen das, sprachen uns an und zeigten sich zufrieden damit, dass wir nur Kaffee trinken wollten. Und tatsächlich, der „Bann war gebrochen“. Nach und nach kamen andere Gäste hinzu, die dann auch nach der Speisekarte fragten.

Worüber haben wir gesprochen? Natürlich ging es auch um Morbus Parkinson, oder wie es die neuen Behandlungsleitlinien jetzt bezeichnen, um die Parkinson-Krankheit, und um unsere Erfahrungen mit Symptomen und Medikamenten bzw. Therapien. Wie schaffen wir den Alltag mit dieser Krankheit? Diese Frage verbindet uns beide. Aber es gab natürlich auch andere Gesprächsinhalte, Lockeres und Ernsthaftes.

Barbara lieferte mich um kurz nach 16 Uhr, etwas später als geplant, an der Straßenbahnhaltestelle am Heumarkt ab. Ich musste über die Deutzer Brücke auf die Schäl Sick des Rheins, zunächst mit der Linie 1, um dann später in den Bus 157 umzusteigen.

Auch die Straßenbahn war proppenvoll, nur musste ich diesmal nicht lange auf einen Sitzplatz warten. In Merheim fuhr mir der Bus 157 vor der Nase weg. Aber in einer Großstadt ist das kein Problem. 10 Minuten später kam der nächste. Ich hatte mich vorher schlau gemacht, zwei Haltestellen später musste ich aussteigen und hatte dann nur noch einen Fußweg von wenigen hundert Metern zum Auftrittsort der FemJams vor mir.

An der nächsten Haltestelle stiegen zwei Frauen zu. Schnell war herauszuhören, dass sie auch zu dem Konzert wollten. Beim Ausstieg waren es dann mit mir vier Personen, die das gleiche Ziel hatten.

Das Ziel war der Pavillon Merheim, der von einem Verein getragen wird, der in der offenen Kinder- und Jugendarbeit aktiv ist. Der Pavillon war kleiner als ich es erwartet hatte. Aber er stellte sich als architektonisches Kleinod dar, nahezu idyllisch in einem Grüngürtel gelegen.

Kaum hatte ich Andrea, Isabel, Rita und Hajo begrüßt, ging es schon los. Andrea war schon zwei Tage zuvor angereist, der Generalprobe wegen. Rita ist eine ehemalige Arbeitskollegin Andreas und Hajo ist ihr Lebenspartner. Rita hat sich nach ihrem Berufsleben dem freien Tanz verschrieben und weiß somit um die Bedeutung von Musik. Ich habe sie und Hajo viele Jahre nicht gesehen, aber der Umgang war vertraut wie früher.

Andrea sieht Rita hin und wieder. Ich habe das Gefühl, dass beiden der Kontakt guttut.

Ein Gast namens Asmus übernahm die Anmoderation. Er war der Gastgeber des letzten „Wohnzimmerkonzertes“ des Quartetts. Die Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer lag so bei ca. 40. Genau nachgezählt habe ich nicht. Es waren wohl durchweg gute Bekannte, Freundinnen und Freunde. Der Eintritt war natürlich frei, einzig die Bitte um eine Spende für den Trägerverein des Pavillons stand im Raum.

Von links:
Isabel, Andrea, Karolin, Katalin
Foto: The FemJams

Durch das Programm führte dann routiniert und mit viel Hintergrundwissen die Bandleaderin Karolin. Im Mittelpunkt standen Songs der US-amerikanische Folk-Rock-Band America, die ihre Wurzeln in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat und im Jahre 2019 ihr letztes Livealbum und 2020 ihr letztes Studioalbum veröffentlichte. Aber es waren auch einzelne Songs anderer Musiker zu hören.

Ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren. Es war ein gelungenes „Gesamtkunstwerk“, das seinen Beifall mehr als verdient hatte. Der Meinung war offensichtlich nicht nur ich, sondern das gesamte Publikum im Raum. Die verschiedenen Instrumente sorgten im Zusammenspiel für einen abwechslungsreichen Sound, in den sich die Superstimme von Karolin gut integrierte. Ein Schlagzeug habe ich nicht vermisst.

Geschmälert wird dieser gute Eindruck auch nicht durch die Tatsache, dass der Band ein kein professionelles Equipment zur Verfügung stand. Das kann sie sich auch gar nicht leisten. Isabel meinte anschließend, sie habe ihre E-Gitarre manchmal gar nicht gehört. Umso anerkennenswerter ist die Leistung der vier Frauen.

Alles in allem war die Atmosphäre ähnlich der in der Kunstkneipe in Unna, in der Andrea und ich viele Konzerte, die diesem ähnelten, miterlebt haben. Leider existiert die Kunstkneipe in dieser Form nicht mehr. „Ausrichter“ damals in Unna waren die Kunstforderer, die versuchten, die darstellende Kunst mit der Musik zu verknüpfen.

Anschließend saßen und standen die Akteurinnen und das Publikum noch beisammen. Es gab Kleinigkeiten zu essen und etwas zu trinken. Man hörte aus den Gesprächen, wie das Konzert noch nachklang. Ich, oder besser mein Schweizer Taschenmesser, konnten zum Gelingen dieses Teils des Spätnachmittages noch etwas beitragen. Es fehlte der unbedingt benötigte Korkenzieher für eine Weiß- und eine Rotweinflasche. In dem Jugendpavillon wurde nämlich sonst kein Wein oder konkreter kein Alkohol ausgeschenkt.

After the concert

Auch die Rückfahrt nach Unna will ich noch kurz beschreiben. Andrea fuhr mit mir zurück. Eine gute Bekannte Isabels brachte uns mit dem Auto zur Bushaltestelle. Der Bus war aber wohl eine Minute vor der Zeit abgefahren. Der nächste kam zwar pünktlich. Aber es stand in den Sternen, ob wir den Zug vom Bahnhof Deutz nach Unna noch erreichen würden. Den zu verpassen hätte eine Wartezeit von mehr als einer Stunde bedeutet. Dann wäre der Tag für mich noch anstrenger geworden als er es ohnehin schon war.

Aber es lief wie geschmiert: Die Straßenbahn der Linie 1 erreichen wir auf die letzte Sekunde und ebenso den RE 7 auf dem Bahnsteig 2 des Bahnhofs Deutz. Wir hatten in gerade betreten, da schlossen sich hinter uns die Türe. Der Zug war, wie sollte es in einem solchen Falle anders sein, ausnahmsweise pünktlich.

Ich konnte auf jeden Fall meiner generellen Absichtserklärung, dass ich in meinem verbleibenden Leben keinem Bus mehr hinterherlaufen wolle, treu bleiben.

Im Zug stellte sich die Frage nach dem Sitzplatz diesmal nicht. Er war gut gefüllt, aber keiner musste stehen. In unserem Waggon saßen wieder Fans des 1. FC Köln. Die Niederlage ihres Vereins trugen sie wohl mit Gelassenheit. Sie sprachen schon wieder über ihren nächsten „Einsatz“ im Fanclub. Es ist erstaunlich, wie leidens- aber auch begeisterungsfähig Fußballfans sind und welche Wege sie auf sich nehmen, um ihre Mannschaft zu sehen.

10 Euro plus Trinkgeld für das Taxi vom Unnaer Bahnhof nachhause in Königsborn waren für mich die letzte Ausgabe des Tages.

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